20. Tag der Raumfahrtgeschichte
Zum 125. Geburtstag nachgerechnet: Oberths Berechnungen für die „Kegeldüse“ mit modernen Methoden bestätigt
Am 25. Juni wäre der Raumfahrt- und Raketenpionier Prof. Hermann Oberth 125 Jahre alt geworden. Zum 20. Tag der Raumfahrtgeschichte am vergangenen Samstag im Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum in Feucht präsentierten Prof. Philipp Epple und Michael Steppert von der Hochschule Coburg eine Simulationsrechnung für Oberths 1929/30 entwickelte „Kegeldüse“. Die Berechnungen und Annahmen des Raumfahrtpioniers wurden dadurch voll bestätigt.
Im Sommer 1930 testete Hermann Oberth auf dem Gelände der damaligen Chemisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin seine „Kegeldüse“, ein kleines, idealtypisches Raketentriebwerk, das er in den Monaten zuvor im Rahmen seiner wissenschaftlichen Beratungstätigkeit für die Fritz-Lang-Stummfilmproduktion „Frau im Mond“ in einer Werkstatt der UFA-Filmgesellschaft entwickelt hatte. Das Triebwerk sollte die grundlegenden raketentechnischen Aspekte seiner theoretischen Werke von 1923 („Die Rakete zu den Planetenräumen“) und 1929 („Wege zur Raumschiffahrt“) bestätigen. Oberth selbst erwartete damals, dass der kleine Raketenmotor bis zu 80 kg Schub produzieren könne.
Aufgrund widriger Umgebungsbedingungen erreichte die Kegeldüse bei der entscheidenden Vorführung vor den Beamten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt dann aber nur 7 kg Schub. Das genügte zwar für ein außerordentlich bedeutsames, positives Gutachten, die Frage, was die Kegeldüse tatsächlich hätte leisten können, blieb aber in der Fachwelt bis heute Gegenstand von Debatten.
Auf der Basis von Angaben, die Museumsdirektor Karlheinz Rohrwild aus dem umfangreichen Archiv des Feuchter Raumfahrtmuseums zusammengestellt hatte, berechneten nun Prof. Dr.-Ing. Philipp Epple, der das das Labor für Strömungsmechanik an der Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik der Hochschule Coburg leitet und Dipl.-Ing. (FH) Michael Steppert mittels numerischer Strömungssimulation die Funktionstüchtigkeit von Oberths „Kegeldüse“ neu. Das Ergebnis präsentierten sie am vergangenen Samstag beim 20. Tag der Raumfahrtgeschichte des Museums im Feuchter Pfinzingschloss: Der berechnete Schub der Kegeldüse bei 20 bar absolut (19 bar Überdruck) liegt bei knappen 70 kg, wodurch die Angabe von Oberth mit etwa 80 kg Rückstoß bestätigt wird.
Bereits vor dem Vortrag von Epple/Steppert hatte sich am Vormittag Dr. Wolfgang Both (Berlin) mit dem schwierigen Verhältnis zwischen Oberth und seinem Mitarbeiter Rudolf Nebel, dem späteren Gründer des so genannten „Raketenflugplatzes Berlin“, auseinandergesetzt.
Reinhard Sagner (Dessau) präsentierte seine umfangreiche und vom Fachpublikum intensiv debattierte Untersuchung des Briefwechsels zwischen Hermann Oberth und Johannes Winkler von 1926 – 1930.
Horst Schienke (Berlin) zeigte familien- und herkunftsgeschichtliche Aspekte des österrreichischen Raumfahrt- und Raketentheoretikers Guido von Pirquet auf.
Dr. Günter Nagel (Mahlow) beschloss die Tagung mit einem Vortrag über seine schwierigen Forschungen zu den vom Militär in den Jahren 1930-1945 initiierten Geheimdissertationen zur Raketentechnik.
Aus Anlass des 125. Geburtstages Hermann Oberths hatte das Museumsteam zum Auftakt der Tagung eine Dankesrede von Prof. Dr. Ernst Stuhlinger (+, Huntsville, USA) zum 90. Geburtstag Oberths im Jahr 1984 aus seinen Archiven geholt und vorgetragen. Darin hatte Stuhlinger die Bedeutung von Oberths Grundlagenarbeit anhand vieler raketentechnischer und raumfahrtwissenschaftlicher Einzelaspekte eindrucksvoll herausgearbeitet.
Alle Vorträge des 20. Tages der Raumfahrtgeschichte sind im Tagungsband dokumentiert, der über das Museum bezogen werden kann.